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OIKOPOLIS am Dialog: Vom schöpferischen Umgang mit der Zeit
Freundschaft schließen mit der „Zeit“, lautete der Titel eines Vortrags, den Wolfgang Held als Gastredner von „OIKOPOLIS am Dialog“ am 15. Oktober in Munsbach hielt. Der Begriff „Zeit“ steht dabei nicht zufällig in Anführungsstrichen. Denn der Universalgelehrte (Wadorfpädagoge mit den Schwerpunkten Mathematik und Astronomie sowie weit belesener Kulturwissenschaftler), Kommunikationsexperte und Publizist stellt vieles infrage, was nur selten hinterfragt wird. Dabei zeigte er Zusammenhänge auf, deren man sich heutzutage kaum bewusst ist, die aber trotzdem universal gültig sind.
Epochen, Ströme und Sphären der Zeit
Zunächst ging es um die großen Zeitzyklen der Menschheitsgeschichte. Wolfgang Held präsentierte die ägyptische, griechisch-römische und moderne Epoche im Dreischritt des Gefühlslebens (in Gefühlen leben – Gefühle beherrschen und kultivieren – neue Gefühle schaffen) und stellte sie der physischen Zeit gegenüber, die von der Uhr gemessen wird und sich durch völliges Gleichmaß auszeichnet.
Anhand von Beispielen wurde klar, dass sowohl die individuell erlebte als auch die rückblickend erinnerte Zeit sich fallweise dehnt oder verkürzt. Neben dem mechanischen Takt der Uhr als angeblich objektiver Zeitmesser gibt es demnach die „Zeit des Lebendigen“ mit ihrer auch für kulturelle Vorgänge typischen Beschleunigung sowie die „Verlangsamung der Seele“ und schließlich die „Zeit des Ich“, in der „das Ewige ins Zeitliche hineinragt“.
Große Rhythmen, kleine Rhythmen
Um diese Ideen erfahrbar zu machen, rief der Redner persönliche Erfahrungen des Publikums ab, erzählte Anekdoten und zitierte aus der Weltliteratur. All das im wahrsten Sinn des Wortes „kurzweilig“, denn trotz der Fülle neuer Erkenntnisse verging die Zeit den Zuhörern wie im Flug. Kurz vor der „Landung“ gönnte Wolfgang Held ihnen noch eine Horizonterweiterung mit dem Parforceritt durch die kosmischen Rhythmen, die sich z.B. in der Sieben-Tage-Woche abbilden.
Ihr zufolge ergibt sich die spezifische Kraft jedes einzelnen Wochentags aus dem „Pendelschlag zwischen Innen und Außen“ (Selbstbesinnung und kommunikativem Austausch): vom sonntäglichen „Entschluss aus Besonnenheit“ über die dem „Mond-Tag“ zugeschriebene „Hingabe und Offenheit fürs Gegebene“, die dienstäglich aktive Tat, das nachfolgende „Interesse für den Umkreis“, reflektiertes Handeln und abschließende Erhebung ins Schöne bis zur rückbesinnlichen Feier des Erreichten, Nachklang und Loslassen am letzten Tag der Woche, in dieser Lesart Samstag.
Die abwechselnd der Sonne und dem Mond zugeordneten Rhythmen kennen viele Bezüge. Held zeigte, wie der geschilderte Ablauf der Sieben-Tage-Woche sich in sieben Zeiteinheiten (Sekunde, Minute, Stunde, Tag, Woche, Monat, Jahr) widerspiegelt, und machte deutlich, dass auch hier jeglicher Rhythmus seine eigene Zeit hat. Daraus ergeben sich weitere Erkenntnisse, etwa für die Synchronisierung von Rhythmen in der Landwirtschaft mit denen des Kosmos und ganz allgemein dafür, wie ein gelungenes Einzelleben mit kosmischen Rhythmen im Einklang steht. Auf diesem weiten Feld sind nicht nur Rudolf Steiners Erkenntnisse hilfreich, sondern auch Wolfgang Helds Buchveröffentlichungen zuverlässige Führer.
Hilfe für den Alltag
Zum Abschluss des Workshops am Folgetag (s.o.) gab es für den praktischen Arbeitsalltag noch eine handfeste Zeitformel mit auf den Weg, denn „der Umgang mit der Zeit entscheidet über unser Glück“. Dies folgt u.a. aus der Erkenntnis, dass Hektik und Stress die zwei grundlegenden „Zeit-Probleme“ der Gegenwart sind. Hektik bezeichnet Held dabei als Symptom für Lieblosigkeit, denn bei allem, was wir gerne tun, „nehmen wir uns Zeit“ bzw. tun es bewusst und langsam. Stress dagegen sei – pointiert gesagt - eine Folge von Dummheit, denn Gedankenlosigkeit und fehlende Aufmerksamkeit fürs Detail der Vorbereitung führen laut Wolfgang Held zu Zeitnot bei der Ausführung und verursachen dadurch Stress.
Im Umkehrschluss ergibt sich daraus ein ebenso einfaches wie wirkungsvolles Rezept für einen schöpferischen Umgang mit der Zeit: wenn Du etwas tust, sei präsent und mit dem Herzen dabei. So vermeidest Du Hektik. Handle umsichtig, und Du umgehst den Stress. In diesem Sinne bedeutet richtiger Umgang mit der Zeit, liebevoller und klüger zu werden – und umgekehrt.